«Gleicher Lohn für gleiche Arbeit soll endlich Realität werden», «Sanktionen bei Verstössen gegen die Lohngleichheit» oder auch «Schluss mit den Lippenbekenntnissen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit». Das sind die Titel von Vorstössen zum Thema Lohngleichheit, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im vergangenen Jahr in Bundesbern eingereicht haben. Da drängt sich die Frage auf: Hat die Schweiz ein ernsthaftes Problem mit Lohndiskriminierungen? Glaubt man der Politik und den Medien, dann trifft dies zu. Untermauert wird dieser Eindruck durch die Schweizerische Lohnstrukturerhebung (LSE), – eine schriftliche Befragung, die alle zwei Jahre bei den Unternehmen in der Schweiz durchgeführt wird – die jeweils einen Bruttolohnunterschied zwischen Männern und Frauen von rund 19 Prozent ausweist.
Problematische Lohnstrukturerhebung
Aber: Der Eindruck dieser massiven Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau täuscht. Die Missverständnisse beginnen bereits bei der Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettolohn-Unterschieden. Der Bruttolohnunterschied resultiert aus einem simplen Vergleich der Frauenlöhne mit den Männerlöhnen. Dass ein grosser Teil dieser Bruttodifferenz erklärbar ist, steht in den Verlautbarungen des Bundes leider meist erst im Kleingedruckten.
Das Hauptproblem für die verschobene Wahrnehmung der Lohnungleichheit in der Schweiz liegt aber in der Erhebungsmethodik des Bundes: Die LSE kann Erkenntnisse zum Vergleich der Lohnstruktur zwischen Branchen liefern, ist aber für den Nachweis von Lohnungleichheiten zwischen Geschlechtern gänzlich ungeeignet. Entsprechend steht sie seit Jahren in der Kritik – nicht nur bei Wirtschaftsverbänden wie Arbeitgeber Banken, sondern durchaus auch in der Wissenschaft. Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt beim Schweizerischen Arbeitgeberverband hält fest: «Dieser rein statistische schweizweite Vergleich aller Männer- und Frauenlöhne lässt relevante Merkmale wie beispielsweise die effektive Berufserfahrung ausser Acht». Weiter stellte auch der emeritierte Wirtschaftsprofessor George Sheldon schon vor Jahren fest, dass die Methode des Bundes zur Untersuchung von Lohnunterschieden zwischen Mann und Frau gar nicht genügend lohnrelevante Parameter berücksichtigt, um Lohndiskriminierung wirklich nachweisen zu können.
Detaillierte Lohngleichheitsanalysen liefern erstmals verlässliche Ergebnisse
Nun zeigen die im vergangenen Jahr auf Basis des im Jahre 2020 revidierten Gleichstellungsgesetzes durchgeführten Lohngleichheitsanalysen, dass bei Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden erfreulicherweise kaum Lohndiskriminierungen festzustellen sind. Dennoch ist spürbar, dass die Politik, die Öffentlichkeit und oftmals auch die Medien in der Schweiz der LSE mehr Glauben schenken als den Lohngleichheitsanalysen, mit der sämtliche Lohndaten in den Unternehmen ausgewertet wurden.
Ein Beispiel aus der MEM-Industrie zeigt eine der Schwächen der Erhebungsmethodik schön auf: Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung schreibt den Betrieben zwingend vor, dass unter anderem Schichtzulagen als Lohnelement in die Analyse der Lohngleichheit einzubeziehen sind. Das ist sachlich falsch und kann die Ergebnisse der Lohnvergleichsanalysen erheblich verfälschen, wie der Verband Swissmem eindrücklich aufzeigt.
Spannend ist also die Frage, weshalb in der Schweiz so stark auf die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau fokussiert wird, obgleich diese Problematik in der betrieblichen Realität immer mehr verschwindet. Ganz offensichtlich eignet sich die LSE deutlich besser für die Empörungsbewirtschaftung, als die Resultate der Lohnanalyse, die zeigen, dass es bei den geprüften Unternehmen kaum Lohndiskriminierungen gibt.
Banken halten Lohngleichheit ein
Die Lohngleichheitsexperten von Comp-on AG haben schweizweit 240 Unternehmen über verschiedenste Branchen hinweg mit dem Label «Fair-ON-Pay» zertifiziert. Dabei zeigte sich, dass die Nettolohndifferenz im Durchschnitt bei -3.6 Prozent zu Ungunsten der Frauen und damit klar innerhalb der Toleranzschwelle von -5 Prozent liegt. Die LSE weist auch hier für den Privatsektor eine deutlich höhere Nettolohndifferenz von -8.5 Prozent zu Ungunsten der Frauen aus.
Die Sozialpartner in der Bankbranche betreiben in Zusammenarbeit mit Comp-On AG seit Mitte 2020 eine schweizweit einzigartige Fachstelle zur Umsetzung der Lohngleichheit – die «Sozialpartnerschaftliche Fachstelle Lohngleichheit in der Bankbranche» (SF LoBa). Um das SF LoBa-Gütesiegel zu erhalten, müssen die Banken methodische Kriterien erfüllen, eine Lohndifferenz ausweisen, die die Toleranzschwelle von 5 Prozent nicht überschreitet und zudem einem Gesamtarbeitsvertrag der Bankbranche unterstellt sein.
Die SF LoBa hat 45 Institute überprüft, die über 30’000 Mitarbeitende beschäftigen. Alle Institute haben die Kontrolle bestanden und das sozialpartnerschaftliche Gütesiegel erhalten. Der Mittelwert der Nettolohndifferenz dieser 45 Institute liegt bei leicht über -4 Prozent. Demgegenüber weist die unpräzise LSE für die Banken und Versicherungen eine Nettolohndifferenz von -10.6 Prozent zu Ungunsten der Frauen aus.
Sowohl die SF LoBa als auch die LSE zeigen zwar, dass es auch bei den Banken unerklärbare Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Diese detaillierten Analysen der SF SF LoBa zeigen aber, dass diese im gesetzlich festgelegten Toleranzbereich von 5 Prozent liegen – deutlich unter dem Wert, welchen die LSE für die Banken ausgibt.
Arbeitgeber Banken fordert deshalb, dass das Bundesamt für Statistik seine Auswertung und Publikation von Lohnungleichheiten aufgrund der Lohnstrukturerhebung per sofort einstellt. Mittlerweile liegen aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Durchführung von detaillierten Lohngleichheitsanalysen aussagekräftigere Ergebnisse vor. Vor diesem Hintergrund besteht kein Grund, weiterhin Zahlen zu publizieren, die auf untauglichen Grundlagen beruhen und ein völlig falsches Bild der Lohnungleichheit in der Schweiz zeichnen.