In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Eine Vermögensverwaltungs-Firma sieht in ihren Arbeitsverträgen eine allgemeine Geheimhaltungspflicht über sämtliche betriebliche Informationen vor. Namentlich erwähnt werden Betriebsabläufe, Beratungs- und Marketingstrategien, Kalkulationen, betriebswirtschaftliche Kennzahlen des Unternehmens sowie «sämtliche Informationen über interne Angelegenheiten». Gemäss einer separaten Weisung gehören Informationen über die Löhne der Angestellten zu den internen Angelegenheiten, die geheim zu halten sind. Die Mitarbeitenden dürfen deshalb weder innerhalb noch ausserhalb des Unternehmens über ihren eigenen Lohn sprechen. Das Verbot wird mit der allgemeinen Diskretionspflicht der Mitarbeitenden begründet, die sich aus ihrer arbeitsrechtlichen Treuepflicht ergibt. Das Unternehmen will damit nicht nur interne Diskussionen vermeiden, sondern erachtet es auch als nicht opportun, wenn Kundinnen und Kunden sowie die Konkurrenz Kenntnisse über die Löhne des Unternehmens haben. Ist ein solches Verbot, über den eigenen Lohn zusprechen, zulässig?
Die Lösung: Das Gesetz verpflichtet die Arbeitnehmenden zur Wahrung von Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen. Der eigene Lohn gehört gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts aber nicht zu diesen Geheimnissen. Vielmehr handelt es sich beim Lohn um persönliche Daten der Mitarbeitenden, über die sie im privaten Umfeld und am Arbeitsplatz sprechen dürfen. Eine Geheimhaltungsverpflichtung würde die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden verletzen. Die Arbeitgeberin kann zwar umfassende Geheimhaltungsklauseln in den Arbeitsverträgen und Personalreglementen verankern, was in der Praxis tatsächlich auch häufig vorkommt. Solche Bestimmungen sind aber nichtig und können deshalb nicht durchgesetzt werden. Den Mitarbeitenden dürfen keine Nachteile erwachsen, wenn sie sich nicht daran halten und sich mit Arbeitskolleg:innen über den Lohn austauschen. Das Recht, sich am Arbeitsplatz über Löhne auszutauschen, wird auch aus dem Gleichstellungsgesetz abgeleitet, indem die Kenntnis über die Löhne erforderlich ist, um eine allfällige Lohndiskriminierung festzustellen.
Gegenüber Aussenstehenden kann die Information über den eigenen Lohn hingegen Geschäftsgeheimnisse tangieren, wenn dadurch Rückschlüsse auf Preiskalkulationen oder Umsätze möglich sind. Die Lehre ist aber auch in diesem Fall zurückhaltend und geht nur in Ausnahmefällen von einem Geheimnisverrat aus. Arbeitgeber Banken vertritt eine abweichende Haltung und erachtet zumindest die Preisgabe des Lohnes gegenüber Kund:innen und Konkurrent:innen als potentielle Beeinträchtigung der Interessen des Unternehmens und damit als Treuepflichtverletzung.