In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Herr Huber arbeitet bei einer der Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen der Bankangestellten (VAB) unterstellten Bank in Zürich. Er wohnt mit seiner Frau und zwei schulpflichtigen Kindern im Kanton Aargau. Seine Frau war seit der Geburt der Kinder nicht mehr berufstätig. Herr Huber hat während Jahren die gesetzlichen Kinderzulagen bezogen und erhielt von der Bank überdies noch die in der VAB vorgesehene Familienzulage von 3'000 Franken pro Jahr. Nun hat sich Frau Huber entschieden, per 1.1.2024 ihre Berufstätigkeit in ihrer Wohnsitzgemeinde im Kanton Aargau im Bereich der Pflege in einem Teilzeitpensum wieder aufzunehmen. Die Personalabteilung der Arbeitgeberin von Herrn Huber informiert ihn, dass ihm die Bank ab 2024 die VAB-Zulagen aufgrund der Berufstätigkeit seiner Frau nicht weiter auszahlen wird. Herr Huber vertritt hingegen die Auffassung, dass er weiterhin einen Anspruch auf diese Zulage hat, weil sich an seiner beruflichen Situation nichts verändert hat. Wer hat Recht?
Die Lösung: Die Frage der Anspruchsberechtigung auf die überobligatorischen Familienzulagen gemäss VAB führt immer wieder zu Diskussionen, nicht nur zwischen den Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, sondern auch zwischen den Sozialpartnern. Hintergrund ist Artikel 27 der VAB, der besagt, dass die VAB-Zulage denjenigen Angestellten ausbezahlt wird, die auch die gesetzlichen Kinderzulagen beziehen. Es besteht also eine direkte Koppelung der VAB-Zulage an die gesetzlichen, kantonalen Kinderzulagen.
Das Bundesgesetz über die Familienzulagen legt verbindlich fest, welche Person Anspruch auf die gesetzlichen Zulagen hat. Wenn beide Elternteile berufstätig sind und gemeinsam mit ihren Kindern im gleichen Haushalt wohnen, so steht der Anspruch auf die gesetzlichen Zulagen derjenigen Person zu, die im Wohnsitzkanton arbeitet. Arbeiten beide Elternteile im gleichen Kanton oder ist nur ein Elternteil berufstätig, so erhält die Person mit dem höheren Einkommen die Zulage.
Im vorliegenden Fall war es bisher so, dass Herr Huber die Zulage erhielt, da seine Frau nicht berufstätig war. Damit hatte er auch Anspruch auf die VAB-Zulage.
Mit Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit im Wohnsitzkanton «wandert» der Anspruch auf die gesetzliche Zulage gemäss der Anspruchsordnung des Familienzulagengesetzes von Herrn Huber auf Frau Huber. Und weil die VAB-Zulage an die gesetzliche Zulage gekoppelt ist, verliert Herr Huber damit auch den Anspruch auf diese Zulage. Die Bank handelt also korrekt, wenn sie die Zahlung der VAB-Zulage einstellt.
Die Anspruchsberechtigung auf die VAB-Zulage war im Jahr 2011 Gegenstand eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien der VAB. Das Schiedsgericht bestätigte die Koppelung zwischen VAB-Zulage und gesetzlicher Zulage.
Selbstverständlich sind die Arbeitgeber frei, grosszügigere Lösungen vorzusehen und die VAB-Zulage auch an Mitarbeitende zu bezahlen, die keinen Anspruch auf die gesetzlichen Zulagen haben. Die meisten Banken halten sich allerdings an die Koppelung der beiden Ansprüche.