1. Grundsatz: Arbeitsgesetz den Realitäten der Arbeitswelt anpassen
Arbeitgeber Banken begrüsst die Absicht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N), eine Teilrevision des Arbeitsrechts voranzutreiben, um den gesetzlichen Rahmen an moderne Arbeitsformen anzupassen. Gerade angesichts der Zunahme mobil-flexibler Arbeitsformen, einschliesslich Homeoffice, ist es sinnvoll, dass das Arbeitsgesetz (ArG) den Entwicklungen der Arbeitswelt Rechnung trägt und auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden widerspiegelt.
2. Hauptforderung: Ablehnung des Vorentwurfs und Fokussierung auf den Wortlaut der Pa.Iv.
Arbeitgeber Banken beurteilt den Revisionsentwurf der WAK-N kritisch und fordert, dass sich die geplante Gesetzesrevision stärker an den ursprünglichen Zielen und Kernforderungen orientiert, die vom damaligen Nationalrat Thierry Burkart initiiert wurden. Dieser forderte eine Flexibilisierung des gesetzlichen Rahmens im Bereich der Arbeitszeitgestaltung insbesondere für Mitarbeitende mit Arbeitszeitautonomie und der Möglichkeit, einen Teil ihrer Arbeit im Homeoffice zu erledigen.
- Erweiterung des Tagesarbeitszeitrahmens auf 17 Stunden, um Mitarbeitenden mit Zeitautonomie eine flexiblere Arbeitsgestaltung zu ermöglichen.
- Unterbrechung der Ruhezeit, damit sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeits- und Ruhephasen eigenverantwortlicher einteilen können.
- Selbstgewählte Sonntagsarbeit, die es Mitarbeitenden, insbesondere im Homeoffice, erlaubt, freiwillig am Sonntag zu arbeiten, wenn dies ihrem Lebens- und Arbeitsrhythmus entspricht.
Die Forderungen des Initianten sind als punktuelle Ergänzungen des Arbeitsgesetzes formuliert und fügen sich thematisch in die entsprechenden Abschnitte des Arbeitsgesetzes unter Wahrung der Gesetzessystematik ein (Art. 10 Abs. 3 zweiter Satz (neu), Art. 15aAbs. 1 zweiter Satz (neu), Art. 19 Abs. 1 zweiter Satz (neu)).
Demgegenüber verfolgt der Vorentwurf der WAK-N ein anderes Konzept und schlägt ein neues Kapitel «IIIa. Arbeits- und Ruhezeit bei Telearbeit» im Arbeitsgesetz vor, das neben der gesetzlichen Regelung der Telearbeit auch Teile der Pa.Iv. aufnimmt. Diesen Ansatz lehnen wir entschieden ab, weil eine gesetzliche Verankerung der Telearbeit unnötig ist und die Pa.Iv. nicht die Regelung der Telearbeit fordert, sondern die Flexibilität bei mobil-flexiblen Arbeitsformen ausbauen will, zu denen auch die Telearbeit als eine von vielen Erscheinungsformen zuzählen ist.
Der Vorentwurf beschränkt die Flexibilisierung unnötigerweise auf Mitarbeitende mit einer Telearbeits-Vereinbarung. Damit werden ohne ersichtlichen Grund Mitarbeitende und Arbeitssituationen ausgeschlossen, bei denen eine Flexibilisierung ebenfalls angezeigt wäre. Die gilt namentlich für Mitarbeitende, die ausschliesslich an dem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz, aber zeitlich flexibel arbeiten (Beispiel: Jemand arbeitet am Morgen vor Ort im Betrieb, betreut am Nachmittag Kinder oder Angehörige und arbeitet am Abend wieder vor Ort im Betrieb).
Zudem sollte die Flexibilisierung auch auf Mitarbeitende ohne oder mit einer beschränkten Zeitautonomie ausgedehnt werden (Beispiel: Ein Call-Center Mitarbeiter ohne Zeitautonomie arbeitet am Morgen vor Ort im Betrieb, betreut am Nachmittag Kinder oder Angehörige und leistet am Abend einen weiteren Dienst von seinem Wohnort aus). Und schliesslich ist nicht ersichtlich, weshalb die Flexibilisierung nur Mitarbeitenden ab 18 Jahren zur Verfügung stehen soll und z.B. nicht auch Lernenden ab 16, sofern ein entsprechendes Bedürfnis besteht, was gerade bei jungen Mitarbeitenden durchaus der Fall sein könnte.
Als stossend erscheint auch, dass mit der vorgeschlagenen Regelung zwei Kategorien von Mitarbeitenden mit der Möglichkeit von Telearbeit geschaffen würden, je nachdem, ob diese über eine grosse Autonomie verfügen, oder nicht. Diese Zweiteilung ist praxisfremd und aufgrund der auf unbestimmten Rechtsbegriffen beruhenden Kategorisierung auch schwierig umzusetzen.
Abgesehen von den vorstehend ausgeführten Bedenken in Bezug auf die Umsetzung der ursprünglichen Anliegen des Initianten ist darauf hinzuweisen, dass kein Bedarf für eine Regelung der Telearbeit besteht, weder im Arbeitsgesetz und schon gar nicht im Obligationenrecht. Die bisherigen gesetzlichen Grundlagen bieten einen ausreichenden Spielraum für die Arbeit ausserhalb des Betriebes.
Die grosse Verbreitung des mobil-flexiblen Arbeitens und namentlich von Homeoffice ist spätestens seit der COVID-Pandemie zumindest in der Dienstleistungsbranche und insbesondere in der Bankbranche eine Realität, die sich innerhalb der gesetzlichen Regelungen sehr gut abbilden lässt. Letztlich geht es dabei «lediglich» um die Verschiebung des vertraglichen Arbeitsortes, die einer Absprache resp. Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf. Diese kann konkludent, mündlich oder schriftlich erfolgen. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel auf den Gesamtarbeitsvertrag der Bankbranche zu verweisen, der bewusst auf eine technologieneutrale Formulierung setzt und vorschreibt, dass bei «mobil-flexiblem Arbeiten» ein Reglement oder eine Vereinbarung notwendig ist. Entsprechende Regelungen haben sich längst etabliert und sind breitakzeptiert. Deshalb würde das Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung als Grundlage für die Telearbeitszeit gemäss Vorentwurf einem Rückschritt und einem nicht nachvollziehbaren bürokratischen Zusatzaufwand gleichkommen.
Fazit: Arbeitgeber Banken lehnt die Einbettung der von der Pa. Iv. Burkhart geforderten Flexibilisierung in einen neuen Abschnitt über die Telearbeit ab und fordert die gezielte Anpassung des Arbeitsgesetzes gemäss dem Wortlaut der Initiative. Eine gesetzliche Regelung der Telearbeit ist weder nötig noch sinnvoll, weder im Arbeitsgesetz noch im Obligationenrecht (Variante). Die geltenden gesetzlichen Grundlagen reichen aus, um die Telearbeit resp. das mobil-flexible Arbeiten zu ermöglichen.
3. Eventualiter: Zustimmung zum Vorentwurf mit Änderungs- und Streichungsvorschlägen
Sollte die WAK-N trotz der vorstehend beschriebenen Bedenken an ihrem Vorentwurf festhalten, so regen wir folgende Änderungen an:
Art. 28a Geltungsbereich
Die Beschränkung auf Mitarbeitende ab 18 mit grosser Autonomie und einer schriftlichen Vereinbarung schränkt den Geltungsbereich zu stark ein.
AntragArbeitgeber Banken: Neue Formulierung
«Dieses Kapitel gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gemäss Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber ihre Arbeitsleistung ganz oder teilweise an einem anderen Arbeitsort ausserhalb des Betriebes erbringen können.»
Art. 28b Recht auf Nichterreichbarkeit
Diese Bestimmung ist unnötig, da sich dieses Recht bereits aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen ergibt (insbesondere Art. 328 OR).
Antrag Arbeitgeber Banken: Ersatzlose Streichung von Art. 28b
Art. 28c Tages- und Abendarbeit
Diese Bestimmung nimmt einen Teilaspekt der Pa.Iv. Burkart auf und ist deshalb zu begrüssen.
Antrag Arbeitgeber Banken: Zustimmung zur Art. 28c
Art. 28d Tägliche Ruhezeit
Die Reduktion der täglichen Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden und der Grundsatz, dass die Ruhezeit aus eigenem Antrieb und für dringende Tätigkeiten unterbrochen werden kann, entspricht den Forderungen der Pa.IV und ist deshalb zu begrüssen.
Antrag Arbeitgeber Banken: Zustimmung zu Art. 28d
Art. 28e Sonntagsarbeit
Die bewilligungsfreie Sonntagsarbeit während fünf Stunden an höchstens neun Sonntagen entspricht nicht den Forderungen der Pa.Iv., welche die selbstgewählte Sonntagsarbeit im Homeoffice ermöglichen wollte. Arbeitgeber Banken würde eine Regelung begrüssen, die grundsätzlich am Sonntagsarbeitsverbot festhält, aber die selbstgewählte Arbeit in beschränktem Umfang resp. von beschränkter Dauerzulässt. Im Sinne eines Kompromisses kann dem Vorentwurf aber zugestimmt werden.
Antrag Arbeitgeber Banken: Zustimmung zu Art. 28e
Art. 28f Nachtarbeit
Diese Bestimmung ist lediglich deklaratorischer Natur und deshalb unnötig. Nachtarbeit ist nicht zulässig resp. bewilligungspflichtig, weshalb sich eine erneute Erwähnung in Art. 28f erübrigt.
Antrag Arbeitgeber Banken: Ersatzlose Streichung von Art. 28f
Art. 28g Vereinbarung über Telearbeitszeit
Diese Bestimmung ist unnötig, da die Arbeit ausserhalb des vertraglich vereinbarten Arbeitsortes auch heute schon in jedem Fall einer Absprache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer bedarf. Diesbezüglich hat sich in den Betrieben längst eine entsprechende Praxis entwickelt, die sich auf die geltenden Bestimmungen im Arbeitsgesetz und Obligationenrecht sowie auf die mittlerweile auch verbreiteten Bestimmungen in Gesamtarbeitsverträgen stützt. Das Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung mit den Anforderungen gemäss Art.28g ist vor diesem Hintergrund nicht nur unnötig, sondern auch kontraproduktiv, indem in bestens bewährte Regelungen in der Praxis eingegriffen wird.
Antrag Arbeitgeber Banken: Ersatzlose Streichung von Art. 28g
Art. 28h (Minderheit) Arbeitsgeräte und Auslagen
Die Forderung, wonach der Arbeitgeber Arbeitsgeräte und Auslagen resp. Kosten zu übernehmen hat, steht im Widerspruch zum bisherigen Konzept von Art. 327f. OR und der entsprechenden Rechtsprechung, wonach der Arbeitgeber bei Homeoffice die Arbeitsgeräte und das Material zur Verfügung stellt, ein Anspruch auf Auslagenersatz aber nur besteht, falls der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung stellt. Die vorgeschlagene Bestimmung könnte sich kontraproduktiv auswirken, indem bei einer Pflicht zum Auslagenersatz die Arbeitgeber dazu neigen könnten, Homeoffice einzuschränken oder auszuschliessen.
Antrag Arbeitgeber Banken: Ersatzlose Streichung von Art. 28h
Variante: Ergänzung des Obligationenrechts durch einen Abschnitt «Telearbeitsvertrag»
Wie bereits erwähnt, lehnen wir die Regelung der Telearbeit sowohl im Arbeitsgesetz als auch im Obligationenrecht ab. Die geltenden Rechtsgrundlagen (ArG, OR, Einzel-und Gesamtarbeitsverträge, Rechtsprechung) reichen aus, um mobil-flexible Arbeit und insbesondere Telearbeit rechtskonform zu leisten.
Eine dezidierte Regelung des Telearbeitsvertrages in Art. 345a ff. OR würde auch dem Grundsatz widersprechen, dass Regulierungen technologieneutral ausgestaltet sein sollen.
Die einzelnen Bestimmungen erachten wir als unnötig, kontraproduktiv oder materiell problematisch. So ist in Bezug auf das Recht auf Nichterreichbarkeit gemäss Art. 354c des Entwurfs festzuhalten, dass es Ausnahmefälle gibt, in denen eine Kontaktaufnahme mit einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin dringend notwendig sein kann. Entscheidend ist, dass der Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmenden gewahrt bleibt, der in Art. 328 OR geregelt ist und nicht weiter ausgeführt werden muss.
Antrag Arbeitgeber Banken: Ersatzlose Streichung des Gliederungstitels «CbisDer Telearbeitsvertrag»
Schlussfolgerung: Rückkehr zu den Kernforderungen und Verzicht auf neue Homeoffice-Bestimmungen
Zusammenfassend lehnen wir den vorgelegten Revisionsentwurf der WAK-N in der aktuellen Form ab und fordern eine Rückkehr zu den ursprünglichen Kernforderungen der Parlamentarischen Initiative Burkart. Eine umfassende und detaillierte Regelung der Telearbeit im Arbeitsgesetz oder gar im Obligationenrecht ist weder notwendig noch zielführend.