Mitarbeitende zum Vertrauensarzt schicken - Hätten Sie es gewusst?

Ein gekündigter Mitarbeiter in lässt sich krankschreiben. Der Vorgesetzte hat Zweifel am Arztzeugnis und schickt ihn zum Vertrauensarzt. Der Mitarbeiter weigert sich, weil eine solche Untersuchung nur mit seiner Einwilligung zulässig sei. Der Arbeitgeber droht ihm, den Lohn einzustellen, falls er sich weiterhin weigert. Wer hat Recht?

In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.

Der Fall: Ein Mitarbeiter einer Bank in der Region Basel kündigt seine Stelle und ersucht um Freistellung während der Kündigungsfrist. Die Bank lehnt die Freistellung ab. Kurz darauf legt der Arbeitnehmer ein Arztzeugnis für «vorerst 4 Wochen» vor. Der Vorgesetzte hat Zweifel am Zeugnis aufgrund der Umstände und der Tatsache, dass es von einem mit dem Arbeitnehmer befreundeten Arzt aus dem benachbarten Elsass (F) stammt. Es bestehen Hinweise darauf, dass das Zeugnis ohne Konsultation ausgestellt wurde. Der Vorgesetzte will sich das nicht bieten lassen und lädt den Mitarbeiter umgehend zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung ein. Dieser weigert sich mit der Begründung, dass es für eine solche Untersuchung sein Einverständnis brauche. Daraufhin droht ihm der Vorgesetzte mit der Einstellung der Lohnfortzahlung. Wer hat Recht?

Die Lösung: Der Arbeitgeber darf seine Arbeitnehmenden bei Zweifeln an Arztzeugnissen grundsätzlich zu vertrauensärztlichen Untersuchungen aufbieten. Er kann den Arzt oder die Ärztin auswählen und muss die Kosten tragen. Für die Tätigkeit als Vertrauensarzt oder -ärztin ist weder eine Zusatzausbildung noch eine behördliche Bewilligung oder Registrierung erforderlich. Es braucht auch keine Einwilligung der Arbeitnehmenden. Die rechtliche Grundlage dazu wird in der Treuepflicht des Arbeitnehmers und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers gesehen.

Allerdings muss der Arbeitgeber objektive Anhaltspunkte für seine Zweifel an der Richtigkeit eines Arztzeugnisses haben. Anlass für berechtigte Zweifel sind zunächst die in der Regel klaren Fälle von formellen Zeugnismängeln (z.B. keine Datierung, fehlender Name des Patienten, keine Dauer der Arbeitsunfähigkeit). Schwieriger zu beurteilen sind materielle Ungereimtheiten. Dazu zählt der Fall der Zeugnisausstellung ohne Konsultation und ohne Begründung für den Verzicht. Sodann sind Zweifel berechtigt bei übermässiger Rückdatierung, wenn mehrere, sich widersprechende Zeugnisse vorliegen oder wenn das Zeugnis unklare Angaben enthält. Auch die Arbeitnehmenden selbst können durch ihr Verhalten Zweifel an der Richtigkeit eines Zeugnisses säen, indem jemand z.B. mit dem Auto in die Ferien fährt, obschon er oder sie gemäss Zeugnis nicht sitzen darf.

Der Vertrauensarzt darf gegenüber dem Arbeitgeber nur Angaben zum Bestehen, zur Dauer und zum Grad der Arbeitsunfähigkeit machen sowie die Frage beantworten, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handelt. Zur Diagnose darf er sich – ohne weitere Ermächtigung durch die Arbeitnehmenden – nicht äussern.

Liegen berechtigte Zweifel am Zeugnis vor und weigert sich der oder die Arbeitnehmer:in, den Vertrauensarzt zu konsultieren, kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung einstellen. Auf der anderen Seite darf sich der oder die Arbeitnehmer:in weigern, den Vertrauensarzt zu besuchen, wenn die Anordnung ohne nachvollziehbaren Grund oder z.B. aus reiner Schikane erfolgt.

Da vertrauensärztliche Untersuchungen häufig in konfliktbelasteten Situationen erfolgen, ist eine klärende Regelung im Personalreglement oder im Arbeitsvertrag empfehlenswert. Arbeitgeber Banken stellt seinen Mitgliedern einen entsprechenden Mustertext zur Verfügung (bestellbar unter info@arbeitgeber-banken.ch).

Im konkreten Fall bestehen tatsächlich objektive Zweifel an der Richtigkeit des Zeugnisses. Diese ergeben sich aufgrund der Umstände und der Tatsache, dass das Zeugnis ohne Konsultation ausgestellt wurde. Der Arbeitnehmer muss sich also einer vertrauensärztlichen Untersuchung unterziehen und riskiert die Einstellung der Lohnfortzahlung, falls er sich weigert. Dass das Zeugnis von einem befreundeten Arzt aus Frankreich stammt, vermag allein noch keine berechtigten Zweifel zu begründen.

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