In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemeingehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Ein Mitarbeiter ist als Teamleiter im Rang eines Vizedirektors im Bereich Marketing tätig. Er verfügt über ein Grundsalär von 165’000 Franken und erhält zudem einen Bonus. Bei Eintritt am 1.1.2021 hat er schriftlich bestätigt, dass er auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet. Sein Arbeitsvertrag verweist in Bezug auf Überstunden auf das Personalreglement, das die Kompensation vorsieht (Zeitkompensation als Regelfall, Auszahlung nur im Ausnahmefall). Am 1.9.2022 reicht er die Kündigung per Ende November 2022 ein und verlangt die Auszahlung von 180 Überstunden, da er diese nicht innerhalb der Kündigungsfrist kompensieren könne. Die Überstunden hat er zur Selbstkontrolle auf einem eigenen Excel-Sheet erfasst, obwohl er auf die Zeiterfassung verzichtet. Die Arbeitgeberin weist die Forderung zurück, weil der Arbeitnehmer auf die Zeiterfassung verzichtet und deshalb keinen Anspruch auf Kompensation von Überstunden habe. Zurecht?
Die Antwort: Der Verzicht auf die Zeiterfassung betrifft nur die (öffentlichrechtliche) Frage der Dokumentation der Arbeitszeit, nicht aber die (privatrechtliche) Frage der Vergütung. Oder anders gesagt: Der Verzicht auf die Zeiterfassung bedeutet nicht automatisch, dass damit auch die Vergütung von Überstunden ausgeschlossen ist. Ein solcher Ausschluss muss im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Gängige Formulierungen sind zum Beispiel «Allfällige Mehrarbeit gilt als mit dem Salär abgegolten. Eine Kompensation ist ausgeschlossen». Im konkreten Fall hatte es die Arbeitgeberin aber unterlassen, eine solche Klausel in den Vertrag aufzunehmen, weshalb das Personalreglement zur Anwendung gelangt, das die Kompensation zulässt. Die Arbeitgeberin könnte den Bestand der Überstunden bestreiten. Da im Betrieb aber bekannt ist, dass der Arbeitnehmer ein sehr hohes Arbeitsvolumen hatte, dürfte dies schwierig werden. Deshalb wird die Arbeitgeberin verlangen, dass die Überstunden während der Kündigungsfrist kompensiert werden. Sollte dies nicht oder nur teilweise möglich sein, ist eine Auszahlung unumgänglich. Falls eine Freistellung erfolgt, ist darauf hinzuweisen, dass damit alle Zeit- und Ferienansprüche abgegolten sind.