Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit – Hätten Sie es gewusst?

Eine Bank muss sich von einem Mitarbeiter trennen, der aufgrund eines Konflikts am Arbeitsplatz arbeitsunfähig ist. Darf sie die Kündigung aussprechen, obwohl eine ärztlich bestätigte Arbeitsunfähigkeit vorliegt?

In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.

Der Fall: Eine Bank stellt für eine regionale Filiale einen neuen Kundenberater ein. Schon nach kurzer Zeit gibt es Spannungen im bisher gut funktionierenden Team. Der neue Mitarbeiter fühlt sich ausgegrenzt, während sich die Kolleg:innen an seinem Verhalten stören. Die Arbeitgeberin nimmt sich der Situation an und versetzt den neuen Mitarbeiter – nach mehreren Gesprächen und einem gescheiterten Mediationsversuch – in eine andere Filiale. Auch dort kommt es bald zu vergleichbaren Spannungen. Für den neuen Mitarbeiter wird die Situation so belastend, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheint und ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis vorlegt. Die Bank entscheidet sich, das Arbeitsverhältnis trotz Arbeitsunfähigkeit zu kündigen, da sie alles unternommen hat, um die Situation zu verbessern und sie keine andere Lösung sieht, als einen Schlussstrich zu ziehen. Die Rechtschutzversicherung des Mitarbeitenden wendet ein, die Kündigung sei aufgrund des zeitlichen Kündigungsschutzes nichtig. Wer hat recht?

Die Lösung: Im vorliegenden Fall geht es um die viel diskutierte «arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit». Diese liegt dann vor, wenn ein Mitarbeiter an der konkreten Arbeitsverrichtung verhindert ist, grundsätzlich aber normal einsatzfähig und auch in seiner privaten Lebensgestaltung nicht oder nur marginal eingeschränkt ist. Oder kurz gesagt: Er kann überall arbeiten, nur nicht in der aktuellen Konstellation beim derzeitigen Arbeitgeber. Das Bundesgericht hat kürzlich bestätigt, was in der herrschenden Lehre und auch in der kantonalen Rechtsprechung seit einiger Zeit vertreten wird: In diesen Fällen gilt kein zeitlicher Kündigungsschutz, weil der Arbeitnehmer grundsätzlich arbeitsfähig ist und es ihm auch zugemutet werden kann, eine neue Stelle zu suchen. Die Kündigung ist also gültig.

In verschiedenen Medien wurde der Bundesgerichtsentscheid als Praxisänderung oder Neuerung dargestellt. Dem ist nicht so. Aber immerhin hat das Gericht nun Klarheit geschaffen.

Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Konflikts am Arbeitsplatz so krank wird, dass sich die Arbeitsunfähigkeit nicht nur auf den aktuellen Arbeitgeber bezieht, sondern ihm auch ein Einsatz bei einem anderen Arbeitgeber nicht möglich wäre. In diesem Fall greift der zeitliche Kündigungsschutz resp. die Sperrfrist, weil es dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, in dieser Situation eine neue Stelle zu suchen.

Bei der «arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit» stellt häufig der Beweis das grösste Problem dar, weil sich die einfachen Arztzeugnisse in der Regel nicht dazu äussern. Eine Nachfrage beim behandelnden Arzt ist nicht möglich, weil dieser der Schweigepflicht untersteht. Hingegen darf vom Mitarbeiter aufgrund seiner Treuepflicht erwartet werden, dass er den Arzt von der Schweigepflicht entbindet. Zudem bleibt dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit einer vertrauensärztlichen Untersuchung.

Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass bei der «arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit» zwar der zeitliche Kündigungsschutz, nicht aber die Lohnzahlung wegfällt. Dies führt im konkreten Fall dazu, dass die Kündigungsfrist trotz Arbeitsunfähigkeit zu laufen beginnt, aber ein Anspruch auf Lohnzahlung (aufgrund Annahmeverzug) besteht.

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