In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Ein Bankmitarbeiter befindet sich nach einer Rückenoperation für drei Wochen in einer Rehaklinik. Er ist für diese Zeit zu 100 Prozent krankgeschrieben. Nach der ersten Woche wird ihm langweilig und er fühlt sich fähig, täglich seine Emails zu bearbeiten und an ausgewählten Calls teilzunehmen. Die entsprechende Arbeitszeit schreibt er auf. So ergibt sich während des Reha-Aufenthalts aufgrund der vollen Krankschreibung ein positiver Gleitzeitsaldo von 20 Stunden, den er nach seiner Rückkehr kompensieren möchte. Darf er das?
Die Lösung: Aus arbeitsrechtlicher Sicht spricht nichts gegen eine Arbeitstätigkeit während einer ärztlich bescheinigten Krankheit oder während eines Rehabilitationsaufenthaltes. Insbesondere beinhaltet ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis kein Arbeitsverbot, sondern stellt lediglich eine Parteibehauptung dar, die auf einer ärztlichen Prognose zum Heilungsverlauf beruht. Indem der Mitarbeiter aus eigenem Antrieb und aus nachvollziehbaren Gründen die Arbeit wieder teilweise aufnimmt, widerlegt er das Arztzeugnis, das ihm eine 100 prozentige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
Bei Arbeit während Krankschreibung können die trotzdem geleisteten Arbeitsstunden nicht zu Mehrstunden resp. zu einem positiven Gleitzeitsaldo führen. Vielmehr reduziert sich die Krankschreibung automatisch im Umfang der geleisteten Arbeit. In der Praxis ist das Zeiterfassungs-System so einzustellen, dass bei Krankschreibung die Sollarbeitszeit nicht überschritten werden kann.
Im vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber unbedingt eine ärztliche Bestätigung über die Teilarbeitsfähigkeit einholen oder den Mitarbeiter bestätigen lassen sollen, dass er nach Rücksprache mit dem Arzt die Arbeit ausführen kann. Ohne eine solche Bestätigung besteht ein Haftungsrisiko für den Arbeitgeber, falls die Arbeit den Heilungsprozess verzögert oder verschlechtert. Ausserdem muss die Krankentagegeld- oder Unfallversicherung über die verringerte Arbeitsunfähigkeit informiert werden.