Die Geschichte der VAB
Die Entwicklung der «Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen für die Bankangestellten» (VAB) ist eng verknüpft mit den Entwicklungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Die VAB - eine Vereinbarung mit historischem Erbe.
Als erstes schweizerisches kollektives Arbeitsrecht für Banken gilt die 1920 vom Verband Zürcherischer Kreditinstitute (VZK) zusammen mit andern Platzverbänden und dem Schweizerischen Bankpersonalverband vereinbarte «Einheitliche Dienst- und Besoldungsordnung für das Bankpersonal» (ED+BO). Die Vertreter der Banken verpflichteten sich, dass sie «je in ihrem Kreise für die Annahme dieser Beschlüsse (...) einstehen werden». Im Laufe der Zeit wurden die Formulierungen dann verbindlicher. Es blieb jedoch dabei, dass nur die Mitgliedbanken des VZK und der übrigen Platzverbände verpflichtet waren, die ED+BO umzusetzen.
Die Geburt des Banken-GAV
1984 wurden in einer formellen Revision viele der recht patronal anmutenden Wendungen durch zeitgemässere ersetzt. 1990 wurde die ED+BO, die lange Zeit von beiden vertragsschliessenden Seiten gar nicht als Gesamtarbeitsvertrag bezeichnet war, in «Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen für die Bankangestellten» (VAB) umbenannt.
Das historische Lohnsystem
Von Anfang an gehörte ein Lohnsystem mit 10 Gehaltsklassen zu je 10 Dienstalterserhöhungsschritten zu den Hauptpunkten des Vertragswerks. Ab den achtziger Jahren entsprach das starre Salärklassensystem nicht mehr der Realität. 1993 wurden auf Anstoss der Banken die Salärbestimmungen der VAB totalrevidiert. An die Stelle der Gehaltsklassen traten vier Funktionsgruppen mit Salärbändern, innerhalb derer sich die Löhne der einzelnen Bankangestellten entwickelten.
Der Minimallohn kommt
1996 einigten sich die Sozialpartner ähnlich der Maschinenindustrie darauf, die Salärverhandlungen auf die Betriebsebene zu verlegen. Die Salärbänder wurden vorerst in der VAB belassen. Die Lohnsysteme, insbesondere grosser Banken, entwickelten sich unterschiedlich und die Funktionsbänder der VAB erwiesen sich als immer weniger sinnvoll. 2006 wurden die Funktionsgruppen auf drei reduziert, und anstelle von Bandbreiten trat für jede ein blosses Minimalsalär. 2007 wurden diese drei Minima abgeschafft und ein einziger Minimallohn eingeführt.
Flexibilisierung der Arbeitszeit
1998 wurde die Wochenarbeitszeit durch die Jahresarbeitszeit ersetzt. Diese beruhte weiterhin auf 42 Arbeitsstunden pro Woche, die jedoch nun im Jahresdurchschnitt einzuhalten waren. Gleichzeitig wurde es den Banken überlassen, unter Beibehaltung der Fünf-Tage-Woche, die Aufteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Samstag vorzunehmen.
Massnahmen bei Entlassungen
Die Erfahrungen bei Umstrukturierungen und Entlassungen führten dazu, dass 2003 die VAB mit einem Abschnitt mit Bestimmungen über «Massnahmen bei Bankschliessungen und Entlassungen von Angestellten» ergänzt wurde. Über die Jahrzehnte blieb die VAB als flexibler Gesamtarbeitsvertrag ausgestaltet, der den Banken die unternehmerische Freiheit beliess und gleichzeitig zur sozialen Sicherheit der Angestellten beitrug.
Schiedsverfahren zu den Familienzulagen
Nach Inkrafttreten des Familienzulagengesetzes am 1.1.2009 entstand eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Sozialpartnern über die Anspruchsberechtigung auf die überobligatorische Familienzulage gemäss VAB. Zu Klärung dieser Frage leiteten der Schweizerische Bankpersonalverband und der Kaufmännische Verband Schweiz ein Schiedsverfahren unter dem Vorsitz von Dr. iur. Adrian von Kaenel ein. Das Schiedsgericht wies die Klage im Jahr 2012 ab und bestätigte damit die Position der Arbeitgeberseite, wonach die VAB-Zulage in einem direkten Zusammenhang zur Anspruchsberechtigung auf die gesetzlichen Zulagen steht.
Die Arbeitgeberseite organisiert sich neu
Mit der Gründung des Arbeitgeberverbands der Banken in der Schweiz (Arbeitgeber Banken) per 1.1.2010 wurde die Sozialpartnerschaft auf Arbeitgeberseite gestärkt. Arbeitgeber Banken übernahm die sozialpartnerschaftlichen Funktionen von der bisher lose organisierten «AGO Banken» und wirkt seither als Träger der VAB.
Der Kaufmännische Verband verlässt die VAB – aber nur vorübergehend
Im Jahr 2013 schlossen der Schweizerische Bankpersonalverband und Arbeitgeber Banken eine Vereinbarung ausserhalb der VAB zum Schutz der Mitarbeitenden im Rahmen der Datenlieferungen an US-Behörden. Dieses Vorgehen verleitete den Kaufmännischen Verband, die Mittträgerschaft der VAB unter Protest zu kündigen. Nach klärenden Gesprächen kehrte der Kaufmännische Verband Schweiz aber noch im selben Jahr wieder in die VAB-Trägerschaft zurück. Seither besteht ein Code of Conduct über die Gepflogenheiten in der Sozialpartnerschaft.
Der Verzicht auf die Zeiterfassung kommt
Nach mehrjährigen Gesprächen und Verhandlungen setzte der Bundesrat am 1.1.2016 eine Verordnungsänderung in Kraft, die den Verzicht auf die Zeiterfassung für bestimmte Mitarbeitende erlaubt. Der Verzicht ist nur möglich in Betrieben, die einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen. Die Sozialpartner der Bankbranche reagierten mit einer separaten Vereinbarung über die Arbeitszeiterfassung (VAZ), die ein Anhang zur VAB bildet. Mitglieder von Arbeitgeber Banken können der VAZ aber auch ohne VAB-Unterstellung unterstehen.
Der Paradigmenwechsel in der Sozialpartnerschaft
2018 jährte sich der Bankenstreik zum 100. Mal und der Bankpersonalverband feierte sein hundertjähriges Jubiläum. Auf Initiative von Arbeitgeber Banken nahmen die Sozialpartner dieses Jubiläumsjahr zum Anlass für einen Paradigmenwechsel: Sie einigten sich auf gemeinsame Schwerpunktthemen, die über mehrere Jahre verfolgt und sowohl innerhalb der VAB als auch ausserhalb in Form von gemeinsamen Projekten bearbeitet werden sollen. Als Hauptthema wurde der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit im Kontext der Demografie und des Strukturwandels definiert.
Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit als Schwerpunkt der VAB
Mit der Revision von 2019 wurde der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit an verschiedenen Stellen innerhalb der VAB verankert. So wurde zum Beispiel ein Anspruch auf regelmässige Standortgespräche statuiert. Die Massnahmen stehen im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Sensibilisierungsprojekt «Skillaware», das sich mit der Entwicklung von Grundkompetenzen befasst.
Corona bringt auch die VAB an den Anschlag
Im Zusammenhang mit der Abwicklung der Covid-Kredite durch die Schweizer Banken einigten sich die Sozialpartner im Jahr 2020 auf eine temporäre Ausserkraftsetzung des schriftlichen Einverständnisses für regelmässige Samstagsarbeit. Zudem erhielt die Bankbranche auf Antrag der Sozialpartner eine Sonderbewilligung durch das SECO für Sonntagsarbeit zur Bearbeitung der Kreditgesuche.
New Work schlägt sich in der VAB nieder
Der durch die Corona-Pandemie rasant beschleunigte Wandel der Arbeitsformen mit einem hohen Anteil Homeoffice war auch Teil der VAB-Verhandlungen 2022. Die Vereinbarung wurde ergänzt mit verschiedenen Bestimmungen über mobil-flexibles Arbeiten.
Die Wettbewerbskommission mischt sich in Lohngespräche ein
Ende 2022 eröffnete die WEKO eine Voruntersuchung wegen Absprachen der Banken über Löhne von Lernenden und Berufseinsteigenden. Die Sozialpartner werteten dieses Vorgehen als unzulässige Einmischung der WEKO in die Sozialpartnerschaft. Die VAB sieht zwar keine Lohnverhandlungen auf Branchenebene mehr vor. Das Konzept der Lohnfestsetzung gemäss VAB beruht aber auf der Idee, dass sich die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerseite absprechen, bevor innerbetriebliche Lohngespräche führen und (als Eskalationsstufe) Verbandsverhandlungen stattfinden.
Ein Ereignis von historischer Bedeutung: Die UBS übernimmt die Credit Suisse
Im März 2023 übernahm die UBS die angeschlagene Credit Suisse in einer dramatischen Rettungsaktion. Die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden waren auch Thema im Bundesrat und im Parlament. Dem Abschnitt in der VAB über «Bankschliessungen und Entlassung von Angestellten» kommt eine besondere Bedeutung zu.